Ich weiß, sonderlich früh dran bin ich nicht mit meinen photochemischen Experimenten. Cyanotypie ist schon seit einigen Jahren groß in Mode und Inkodye gibt es nun auch schon einige Zeit.
Jetzt ist aber nun so, dass das eine eher vorraussetzungsreiche Technik ist. Man braucht die Chemikalien, es muss einigermaßen gutes Wetter sein und Ruhe beim rumexperimentieren ist definitiv hilfreich für sicheres Arbeiten und schöne Ergebnisse.
Als ich in Berlin war, entdeckte ich bei Dussman ein Cyanotypieset, bei dem das Papier bereits vorbereitet ist, so dass man sich den Schritt mit dem zusammenmixen der Lösungen und das aufbringen derselben auf den Untergrund sparen kann. Mit diesem Set zauberte der große kleine Mensch auf Anhieb eine wirklich tolle UnterwasserweltDas Prinzip ist simpel: Das Papier ist mit einem lichtempfindlichen Stoff (Mischung aus Kaliumhexacyanidoferrat(III) und Ammonium-oxalatoferrat(III)) beschichtet. Im abgedunkelten Raum packt man das Papier aus, legt die Motive, die man abbilden will, drauf (hier: Fische und Schwamm aus Pappe ausgeschnitten, Wasserpflanzen aus Rosmarin und Thymian) und legt das ganze dann für ein paar Minuten in die Sonne. Dadurch bildet sich an den belichteten Stellen wasserunlösliches Berliner Blau. Dann geht man zurück in den abgedunkelten Raum, wo man aus dem unbelichteten Teil im Wasserbad das Kaliumhexacyanidoferrat(III) und das Amonium-oxalatoferrat(III) auswäscht und das Bild dadurch fixiert. Das ist eine ziemlich coole Sache, weil sich im Wasserbad das Bild vom negativ zum positiv umkehrt.
In dem Set waren leider nur 4 kleine Bögen des Papiers. Eine kurze Recherche ergab aber, dass man es recht einfach im Fachhandel bekommt. Weil ich dem großen kleinen Mensch sein Papier nicht wegnehmen wollte, kaufte ich also noch 10 weitere Bögen, die mit 19×14 cm auch etwa doppelt so groß sind wie das Papier vom großen kleinen Menschen.
Heute hatte ich frei und der Liebste ist mit den kleinen Menschen nach Schwaben gefahren. Und es ist wunderbarstes Wetter. Die besten Vorraussetzungen für weitere Experimente also! Statt über einfaches Abschatten wollte ich diesmal mit richtigen Fotos, die ich als schwarz/weiß Negativ auf Overheadfolie ausgedruckt hatte, arbeiten. Ich suchte mir 2 Bilder aus, entsättigte und invertierte sie in Lightroom und druckte sie auf Folie aus. Dann nahm ich im abgedunkelten Zimmer einen Bogen des Papiers aus der schwarzen Plastiktüte, legte es auf die Rückseite eines Bilderrahmes, legte das Negativ drauf und fixierte das ganze mit der Glasplatte des Bilderrahmens. Das ganze legte ich dann um die Mittagszeit in die Sonne für etwa 5 Minuten. Als das Bild dann im Wasserbad schwamm,
und langsam von negativ zu positiv wurde
bemerkte ich plötzlich, dass da noch ein Bild lag. Aus Versehen hatte ich nämlich 2 Bögen aus der Packung genommen und gespapelt belichtet. Das war ein wirklich sehr sehr toller Moment, als ich feststellte, dass ich ganz unbeabsichtigt mehr experimentiert hatte als geplant. Denn dadurch, dass das eine Papier unter dem anderen lag, war die Belichtungsintensität natürlich eine andere.
Nach dem auswaschen ließ ich die Bögen trocknen und scannte sie schließlich ein (irgendwie schon leicht absurd, dass man ein digitales Bild nimmt, auf Folie ausdruckt, damit ein minderwertiges Photopapier belichtet, um es anschließend per Scanner wieder zu digitalisieren…). Im Endergenis kann man noch immer erkennen, welches Bild unten lag beim Belichten.
Beim nächsten Versuch achtete ich darauf, wirklich nur einen Bogen aus der Packung zu nehmen und belichtete es auch kürzer. Trotzdem ist es auch recht dunkel geworden.
Als nächstes probierte ich die noch etwas elaboriertere Inkodye aus. Die gibt es in verschiedenen Farben, stinkt mörderisch nach Ammoniak und ist für Stoff gedacht (Ich vermute, hier handelt es sich um Diazotypie). Also schnappte ich mir Reste des Baumwollnessel, den ich für Probestücke beim Nähen verwende und strich etwas von der blauen Inkodye drauf. Es war auch ein Probenegativ mit in der Packung, was ich auf ein Stück legte. Auf das andere legte ich Sicherheitsnadeln und Knöpfe. Dann wieder ab in die Sonne damit
nach ein paar Minuten sah es so aus
In der anleitung stand, dass man eher kontrastreiche Fotos auswählen solle und meine Erfahrung mit dem Papier hatte dies ja durchaus auch gezeigt. Also stöberte ich noch ein bisschen weiter im Bilderordner und suchte nach einem schlauen Spruch. Mit Gimp bastelte ich den schlauen Spruch dann aufs Foto, entsättigte, invertierte
und druckte das Negativ 2x aus. Anschließend klebte ich die beiden Folien übereinander um so ein stärkeres Negativ zu erhalten (stand als Tip in der Inkodye-Anleitung). Dann wieder das gleiche Spiel, diesmal mit orange. Fixiert wird das ganze dann mit einem speziellen Waschmittel in der Waschmaschine. Damit sich die auch lohnt, bedruckte ich zu guter Letzt noch eine fertige Baumwolltasche mit dem Motiv. Und nun hängt alles auf der Wäscheleine und trocknet.
Ich bin begeistert. Davon hatte ich vorher noch nie gehört. Muss ich bei Gelegenheit auch mal ausprobieren.
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Deine“Fotos“ sind toll geworden. Zwei echt spannende Techniken. Ich habe noch Reste von einer Farbe, die „Setasoleil“ heißt und wie Aquarellfarbe aussieht. Sie wird beim Belichten dunkler. Bei meinen ersten Versuchen hat das nicht so gut geklappt. Ich werde es wohl noch mal im dunklen Zimmer versuchen, nachdem ich die Artikel von Frau Machwerke und Dir gelesen habe.
Danke für den interessanten Bericht
LG Stefanie
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Ich hatte so etwas ähnliches mal zum Aufbügeln für Polyesterstoffe… Man nahm die Fotokopie und brachte sie auf das farbige Papier auf, auf dem nun ein spiegelverkehrter Abdruck zu sehen war – dieses Papier legte man dann auf den Stoff und bügelte das Motiv von da wieder auf den Stoff.
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